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Prozesse facilitieren –

zwischen Methoden und Kunst

· Reflexion

Was trägt die Methode bei und was macht unsere Haltung und Persönlichkeit als Facilitatoren aus? Diese Frage ist für uns immer wieder spannend und aktuell.

Eine Facette wird im aktuellen Newletter der Gemeinschaft Schloss Tempelhof beleuchtet. Darin findet sich ein schönes Zitat über die Kunst, des „Raumhaltens für gemeinschaftsbildende Gruppenprozesse . Der Text rückt den sogenannten WIR-Prozess (eine spezielle Methode) in den Mittelpunkt, gilt aber tendenziell für alle Gruppenprozesse:

„Wir haben die Grundhaltung, dass die Aufgabe der Begleitung von WIR-Prozessen oder des Raumhaltens für gemeinschaftsbildende Gruppenprozesse nicht lernbar ist wie eine Technik, z.B. wie ein Handwerk oder ein Musikinstrument im Sinne von: Du machst das so und so…. und wenn du das so und so gut kannst, dann kannst du WIR-Prozesse begleiten. Wir gehen vielmehr davon aus, dass es eine innere Affinität zu dieser Art von Aufgabe braucht, ein vorhandenes Grundgeschick im Umgang mit einer größeren Gruppe von Menschen, eine gewachsene innere Sicherheit, im Leben zu stehen. Einen WIR-Prozess zu begleiten ist wie ein Tanzen mit unterschiedlichen Impulsen von Menschen, die prinzipiell nicht zu steuern oder zu kontrollieren sind. Da hilft es, sich mit sich einigermaßen auszukennen und Sicherheit im Inneren zu finden.“

Ein "Ja"

Mir kommt zu diesem Text ein klares „Ja“ aber auch ein „Nein“. Das „Ja“ resultiert aus der Erfahrung vieler Prozesse. Gerade wenn es komplex, hakelig, unerwartet und konflikthaft wird, braucht es mehr als nur Methodenkenntnis. Da brauchen Gruppen die Sicherheit, dass die Container der Facilitatoren „halten“. Und so gut wie alle Prozesse, in denen es wirklich um etwas geht, kommen irgendwann in die Phase, in der es komplex, hakelig, unerwartet und konflikthaft wird.

Was am "Nein" wahr sein kann

Wo kommt das „Nein“ her? Es bezieht sich auf die Aussage, dass Gruppenprozesse nicht lernbar sind wie „eine Technik ,z.B. wie ein Handwerk oder ein Musikinstrument”. Zwei Gedanken dazu:

• Kann ohne die Grundlage solider Technik Meisterschaft an einem Musikinstrument erreicht werden? Ich glaube nicht. Die kunstvolle Anwendung bedarf tiefer Methodenkenntnis und die wiederum verlangt stetige Übung und Lernbereitschaft. Auch wir geübten Facilitatoren lernen ja immer weiter und verfeinern die Anwendung von Methoden. (Zum Teil bedeutet dies, dass wir und die eingesetzten Methoden zunehmend in den Hintergrund treten, um den Raum wirklich zu öffnen)

• Es hängt aber auch von den Methoden ab. Manche sind sehr offen, wie WIR-Prozess oder Open Space. Andere sind stärker strukturiert und bieten mehr Leitfaden für die Anwendung wie beispielsweise aus den Liberating Structures 1-2-4-alle oder Ecocycle Planning. Auch wenn sie zunächst nur „technisch" angewandt werden, können sie erste Entwicklungsimpulse in Gruppen auslösen und diejenigen, die sie anleiten, zu weiterem Lernen inspirieren.

A Fool with a Tool

In der agilen Szene wird übrigens eine verwandte Diskussion geführt. Der Spruch: „A Fool with a Tool is Still a Fool“ bringt das Spannungsfeld rund um die Tools plakativ auf den Punkt. All die Tools und tollen agilen Ansätze können auch in Pseudo-Aktivitäten münden. Im gleichnamigen Artikel hat das Pawel Brodzinski in einer kritischen Reflexion auf den Begriff des 'Cargo Cult' gebracht.

Rolf Schneidereit